Seit einiger Zeit frage ich mich, ob es im WDR-Hörfunk noch Fremdsprachenprogramme braucht und wenn ja, welche Sprachen noch sinnvoll sind.
Ich habe fast 30 Jahre als freier Mitarbeiter für ehemals WDR Köln Radyosu, jetzt ARD Cosmo Türkisch gearbeitet. In dieser Zeit habe ich versucht, deutschsprachige Sendungen über die türkischstämmige Community stärker in den Fokus der Redaktion zu rücken. Es gab den Versuch, mit Café Alaturka oder Çılgın teilweise zweisprachige Sendungen zu etablieren. Deutsch wurde aber eher durch die Redaktionsleitung abgelehnt, u.a. mit dem Argument „Wir dürfen den türkischsprachigen Anteil nicht reduzieren, weil das unsere Existenzberechtigung ist“. Diese durchaus erfolgreichen Sendungen wurden nach einigen Jahren zugunsten eines Formatradios eingestellt.
Seit Jahrzehnten sind türkischsprachige Sendungen ein fester Bestandteil des Programms im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Sie entstanden ursprünglich, um den sogenannten Gastarbeiterinnen, die in den 1960er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kamen, einen Zugang zu Informationen und Unterhaltung in ihrer Muttersprache zu bieten. Doch in einer Zeit, in der Deutschkenntnisse unter in Deutschland lebenden Türken weit verbreitet sind und sich die gesellschaftlichen Realitäten verändert haben, stellt sich die Frage: Sind türkischsprachige Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch sinnvoll, oder sollten diese Ressourcen besser anders genutzt werden?
Als die ersten türkischen Arbeiter nach Deutschland kamen, hatten viele von ihnen nur rudimentäre Deutschkenntnisse und lebten isoliert von der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Türkischsprachige Sendungen im Radio und Fernsehen boten diesen Menschen einen wertvollen Zugang zu Nachrichten, kulturellen Angeboten und gesellschaftlichen Diskussionen.
Heute, über 60 Jahre später, hat sich die Situation grundlegend verändert. Die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland besteht größtenteils aus Menschen der zweiten, dritten oder sogar vierten Generation, die im deutschen Bildungssystem aufgewachsen sind und fließend Deutsch sprechen. Damit hat sich auch der Informations- und Unterhaltungsbedarf dieser Community stark gewandelt.
Zwar gibt es nach wie vor eine gewisse Nachfrage nach Inhalten in türkischer Sprache, jedoch ist zu beobachten, dass viele Menschen mit türkischen Wurzeln vor allem deutschsprachige Angebote konsumieren. Sie sind Teil der deutschen Gesellschaft und in der Lage, sich problemlos sowohl in der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch in der türkischen Community zu bewegen. Der Bedarf nach rein türkischsprachigen Sendungen, die sich ausschließlich an diese Gruppe richten, hat somit deutlich abgenommen.
Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Wahrnehmung und das Verständnis der türkischen Kultur und der Community innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft immer noch begrenzt ist. Sollte also der Fokus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht vielmehr darauf liegen, Brücken zwischen der türkischen Community und der Mehrheitsgesellschaft zu bauen, anstatt die Trennung durch türkischsprachige Sendungen zu zementieren?
Deutschsprachige Sendungen, die über Themen und Ereignisse in der türkischen Community berichten, könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Solche Programme könnten Vorurteile abbauen und dazu beitragen, das Gefühl der „Fremdheit“, das sowohl von Menschen türkischer Herkunft als auch von Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft empfunden wird, zu verringern. Der Dialog zwischen den Kulturen könnte auf diese Weise intensiviert werden, was in Zeiten zunehmender Polarisierung in der Gesellschaft besonders wertvoll ist.
Die öffentlich-rechtlichen Sender sehen sich einem zunehmenden finanziellen Druck ausgesetzt, der sie zwingt, ihre Programme zu überdenken und effizienter zu gestalten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, weiterhin Ressourcen in Sendungen in Sprachen zu investieren, die von einem Großteil der Bevölkerung nicht mehr als notwendig erachtet werden.
Gleichzeitig gibt es in Deutschland neue Migrationsbewegungen, die die Medienlandschaft herausfordern. Besonders Menschen aus arabischsprachigen Ländern oder der Ukraine, die in den letzten Jahren vermehrt nach Deutschland gekommen sind, benötigen weiterhin Unterstützung in ihrer Muttersprache, um sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Hier wäre es sinnvoller, auf Sendungen in Arabisch, Russisch oder Ukrainisch zu setzen, die einen höheren Nutzen haben, da die Integration dieser Menschen noch in den Anfängen steckt.
Ein weiteres wichtiges Argument in der Diskussion um türkischsprachige Sendungen ist der Rundfunkbeitrag, den auch die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland zahlt. Es könnte der Eindruck entstehen, dass dieser Beitrag eine Art „Anrecht“ auf Sendungen in der eigenen Muttersprache garantiert. Doch der Rundfunkbeitrag sollte nicht allein als Mittel zur Erfüllung sprachlicher Bedürfnisse gesehen werden, sondern vielmehr als gemeinschaftlicher Beitrag zur gesellschaftlichen Integration und zur Förderung des interkulturellen Austauschs.
Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht darin, Angebote zu schaffen, die alle Teile der Gesellschaft ansprechen und zu einem besseren Verständnis zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen beitragen. Anstatt ausschließlich auf Inhalte in der eigenen Sprache zu setzen, wäre es sinnvoller, Programme zu unterstützen, die die Perspektiven der türkischen Community auf Deutsch vermitteln. Dies fördert den Austausch zwischen der türkischstämmigen Bevölkerung und der Mehrheitsgesellschaft und trägt zu einer stärkeren gesellschaftlichen Verschmelzung der Kulturen bei, von der alle profitieren. Der Rundfunkbeitrag wird somit zu einem Symbol der Mitverantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, an dem alle gleichermaßen beteiligt sind.